19.02.2024 |
Deutschland liegt bei der Neubautätigkeit im Europavergleich auf Platz 13 von 19, wie eine Befragung des Maklernetzwerks Remax zeigt. Die Folge: Die Preise für Bestandsimmobilien müssen wegen des Bevölkerungswachstums und der Klimapolitik wieder steigen.
Leinfelden-Echterdingen, 19.02.2024. Mit nur 3,5 fertiggestellten Einheiten pro tausend Einwohnern ist die Neubautätigkeit in Deutschland nur halb so hoch wie die des bauaktivsten Landes und Nachbarn Frankreich. Das geht aus der neusten Studie „European Housing Insights“ des Maklernetzwerks Remax Europa hervor. Samina Julevic, CEO des Maklernetzwerks Remax Germany: „Das wohnungspolitische Versagen ist ein Renditeturbo für Investoren. Immer mehr Kapitalanleger und Eigennutzer erkennen, dass sich Finanzierungen trotz hoher Zinskosten langfristig rechnen, weil es künftig viel zu wenig Objekte am Markt geben wird. Besonders steigen werden die Preise bei modernen, energieeffizienten Immobilien.“
Wohnungsbau in Deutschland noch stärker eingebrochen
Laut der Remax-Studie erkennen Kaufinteressenten ungeachtet des Zinsniveaus zunehmend die Auswirkungen der geringen Neubautätigkeit. Diese ist in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern anhaltend niedrig – und jüngst erneut eingebrochen. Die Bundesregierung hat ihr Ziel deutlich verfehlt, in 2023 mindestens 400.000 Wohnungen zu bauen. Stattdessen wurden rund 270.000 Objekte fertiggestellt – etwa 3,18 Objekte pro tausend Einwohner. 2022 lag die Zahl mit 295.000 beziehungsweise 3,5 Objekten pro tausend Einwohner nur etwas höher. Während Deutschland im europäischen Vergleich schlecht abschneidet, stechen Frankreich und Polen mit 7,09 beziehungsweise 6,31 Einheiten pro tausend Einwohner positiv hervor. Schlechter als Deutschland schneiden nur Bulgarien (3,05), das Vereinigte Königreich (2,63), Ungarn (2,12), Portugal (1,92), Spanien (1,69) sowie Bosnien und Herzegowina (0,88) ab.
Hohe Zinsen nicht Hauptgrund für geringen Neubau
Der Einbruch der Bautätigkeit in Deutschland hat laut Remax Germany diverse Gründe. Stark gestiegene Energiekosten, höhere Baumaterialpreise, immer mehr und strengere Bau- und Energieeffizienzvorschriften und der Wegfall von Fördergeldern schränken den Neubau stark ein. Die aktuellen Finanzierungskonditionen hingegen bewegen sich auf einem historisch normalen Niveau. Die Zinsen für 10-jährige Darlehen sind in Deutschland von Januar 2014 bis Januar 2024 von 2,67 Prozent auf rund 3,5 Prozent gestiegen. 15-jährige Darlehen verteuerten sich von 3,2 Prozent auf 3,6 Prozent. Zum Vergleich: Im November 1993 lagen die Bauzinsen für 10-jährige Darlehen bei durchschnittlich 7,3 Prozent.
Gesunkene Immobilienpreise: Investoren mit Eigenkapital sammeln Objekte am Markt ein
„Mit Blick auf die Konditionen der letzten 30 Jahre relativiert sich das aktuelle Zinsniveau geradezu. Kaufinteressenten erkennen, dass Finanzierungskosten nicht der alleinige Hebel sind“, sagt Julevic. Gerade Kapitalanleger mit viel Eigenkapital nutzen in den vergangenen Monaten die Gunst der Stunde. Sie kaufen Immobilien, deren Preise in 2022 und 2023 nachgegeben haben. „Interessenten, die nicht auf Fremdkapital angewiesen sind, sammeln aktuell attraktiv bewertete Objekte ein. Das beobachten wir in ganz Deutschland“, erklärt die Expertin.
Laut Remax wird die Wohnraumknappheit verstärkt durch das Bevölkerungswachstum. Die Einwohnerzahl in Deutschland ist von 80,8 Millionen in 2013 auf 84,5 Millionen in 2023 gestiegen. Julevic: „Künftig wird es in Deutschland massiv an Wohnraum fehlen. Die Preise werden steigen und die Finanzierungskosten eine untergeordnete Rolle spielen.“
Bautätigkeit in ausgewählten europäischen Ländern (2022):
- Frankreich: 7,09 fertiggestellte Einheiten pro 1.000 Einwohner (insgesamt 482.200 Einheiten)
- Polen: 6,31 (238.600)
- Dänemark: 5,92 (35.100)
- Irland: 5,82 (29.900)
- Liechtenstein: 5,66 (15.900)
- Israel: 5,38 (51.900)
- Norwegen: 5,10 (28.000)
- Estland: 4,80 (6.500)
- Belgien: 4,41 (51.500)
- Niederlande: 4,16 (74.200)
- Tschechien: 3,75 (39.500)
- Slowakei: 3,72 (20.200)
- Deutschland: 3,50 (295.300)
- Bulgarien: 3,05 (19.600)
- Vereinigtes Königreich: 2,63 (177.800)
- Ungarn: 2,12 (20.500)
- Portugal: 1,92 (19.700)
- Spanien: 1,69 (79.900)
- Bosnien und Herzegowina: 0,88 (2.900)