12.07.2022 |
Eigennutzern und Kapitalanlegern in Berlin drohen bei Folgedarlehen je nach Kaufzeitpunkt und Zinsbindung Kreditmehrkosten von rund 3.000 bis 11.000 Euro pro Jahr. Gleichzeitig gefährden hohe Energiekosten und mögliche Mietausfälle die weitere Finanzierung. Ob der frühzeitige Verkauf eine Option ist, lässt sich über Schätzwerte und Gebote bereits jetzt herausfinden. Nach dem jahrelangen Preisboom sinken die Preise für Immobilien im zweiten Quartal in den ersten Orten bereits.
(Berlin, 13. Juli 2022) Höhere Raten für den Kredit, steigende Energiekosten, sinkende Mieteinnahmen, nachlassende Käufernachfrage: Nach einem Jahrzehnt Immobilienboom ändern sich seit Anfang 2022 die Vorzeichen am Immobilienmarkt. „So überraschend und heftig die Zinswende für Käufer in diesem Jahr gekommen ist, so deutlich könnte das Erwachen für Eigentümer mit laufenden Krediten sein“, sagt Stefan Kellner, CEO der Immobilienplattform Scoperty (www.scoperty.de), die deutschlandweit Schätzwerte von mehr als 35 Mio. Wohnimmobilien erfasst. Der Experte rät insbesondere Selbstnutzern und Kapitalanlegern mit laufenden Darlehen, ihre aktuellen Immobilienwerte zu ermitteln – um angesichts aktueller und künftiger möglicher Preisabschläge eventuell früher als geplant zu verkaufen. In Berlin sind die Immobilienpreise im zweiten Quartal bereits nur noch um 3 Prozent gestiegen. Makler berichten vermehrt von deutlichen Abschlägen gegenüber den Angebotspreisen.
3.000 Euro Mehrkosten für Wohnungskäufer aus dem Jahr 2013 möglich
Exemplarische Scoperty Berechnungen von Preis- und Kreditszenarien zeigen, dass der jüngste Zinsanstieg für einige Eigennutzer und Kapitalanleger zum finanziellen Problem werden könnte – je nach Jahr der Erstfinanzierung und Zinsbindung. Wer 2013 in Berlin eine 100-Quadrameter-Eigentumswohnung zum damaligen Preis von durchschnittlich 200.000 Euro* finanziert hat, zahlt heute eine Monatsrate von 916 Euro. Durch den Zinsanstieg auf aktuell 3,3 Prozent würde sich die Rate für die verbleibende Restschuld von 132.000 Euro um monatlich 134 Euro auf 1.050 Euro erhöhen. Sollte der Kreditzins im Jahr 2023 bei 4 Prozent liegen, was einige Experten für möglich halten, sind es bereits 1.167 Euro Monatsrate, was einer Mehrbelastung von rund 250 Euro im Monat entspricht – beziehungsweise 3.000 Euro pro Jahr.
4.000 Euro Mehrkosten für Wohnungskäufer aus dem Jahr 2014
Noch radikaler fällt der Kostenschock für diejenigen aus, die 2014 zu etwa 2,0 Prozent ein Darlehen mit zehnjähriger Zinsbindung aufgenommen haben und spätestens 2024 einen Neukredit für die verbleidende Restschuld aufnehmen müssen. 100 Quadratmeter Wohneigentum in Berlin kosteten damals rund 215.800 Euro*, was mit einer monatlichen Kreditrate von rund 900 Euro finanzierbar war (10 Jahre Zinsbindung, 2 Prozent Kreditzins, 3 Prozent Anfangstilgung). Beim jetzigen Zinsniveau von 3,3 Prozent würde die Rate auf 1.130 Euro klettern, was eine monatliche Mehrbelastung von 230 Euro bedeutet. Bei 4 Prozent Zinsniveau sind es gar 1.260 Euro – ein Plus von 360 Euro pro Monat beziehungsweise 4.320 Euro pro Jahr.
Teurer Schock bei kurzen Zinsbindungen
Besonders düster sind die Finanzierungsprognosen unter aktuellen Zinsvorzeichen für all jene Käufer, die in den Jahren 2018 oder 2019 in Wohneigentum investiert haben und sich für ein Darlehen mit lediglich fünf Jahren Zinsbindung entschieden haben. Die Kombination der zu diesem Zeitpunkt bereits extrem hohen Kaufpreise mit den vor drei bis vier Jahren extrem niedrigen Zinsen führt zu einer Kostenexplosion beim Anschlusskredit, der zudem in vielen Fällen nur marginal getilgt sein dürfte. In Berlin waren laut Scoperty Preisdaten 2019 für 100 Quadratmeter Wohneigentum im Schnitt bereits 366.400 Euro fällig. Mit einem fünfjährigen Darlehen ließ sich diese Summe im Zinstief mit einem Prozent und rund 1.221 Euro finanzieren. Der aktuelle Zins von 3,1 Prozent für ein solches Darlehen würde die Rate auf 1.863 Euro hochschnellen lassen, bei 4 Prozent wären es mit knapp 2.140 Euro fast doppelt so viel wie beim Erstkredit. Die Zinsmehrkosten summieren sich auf 11.000 Euro jährlich.
Hohe Energiekosten und Inflation machen es Eigentümern schwer
Doch nicht nur die Zinsaufschläge könnten Eigennutzern zu schaffen machen, für die im nächsten und übernächsten Jahr die Anschlussfinanzierung ansteht. Die gleichzeitig stark gestiegenen Energiekosten belasten die Haushaltskasse zusätzlich und erschweren das Abbezahlen des Kredites. Für Kapitalanleger, die knapp kalkuliert haben und den künftigen Zinsdienst vorrangig aus den Mieteinnahmen bestreiten wollen, könnte es laut Scoperty noch kritischer werden. Einerseits können sie nicht einfach die Mieten erhöhen, anderseits drohen wegen der hohen Nebenkosten vermehrt Mietausfälle. Erste Banken berücksichtigen diese neue Situation bereits, indem sie die ansetzbare Nettokaltmiete mit einem Abschlag von 25 Prozent versehen statt bisher 20 Prozent.
Eigentümer können Verkauf testen
Angesichts der möglichen Zinsrisiken sollten Eigentümer mit laufenden Krediten die verbleibende Zeit bis zum Ende ihrer Zinsbindung nutzen, um frühzeitig Handlungsoptionen zu prüfen. „Im Augenblick befinden sich die Immobilienpreise in vielen Städten auf Rekordniveau. Wer eine Immobilie besitzt, sollte zunächst den aktuellen Schätzwert ermitteln“, rät Scoperty-CEO Stefan Kellner. Dies sei mittlerweile ohne Makler und ohne konkrete Verkaufsabsicht unverbindlich möglich. Eine weitere Variante sei, das eigene Objekt für Kaufangebote zu öffnen. So erhalten Eigentümer eine Entscheidungsgrundlage.
Experten halten Preisrückgänge für möglich
Erste Experten prognostizieren nach einem guten Jahrzehnt Preisboom für die Zukunft sinkende Preise. Denn: Die höheren Zinskosten, die Eigentümer beim Anschlussdarlehen zu spüren bekommen, sorgen gleichfalls dafür, dass es immer weniger Käufer gibt, die sich Wohneigentum leisten können. Die sinkende Nachfrage könnte die Werte bröckeln lassen. Zuletzt waren die Immobilienpreise laut einer Scoperty-Auswertung von mehr als 10.000 Gemeinden Ende 2021 noch einmal kräftig gestiegen. Im ersten Halbjahr 2022 gingen die Preise hingegen nur noch im Schnitt rund drei Prozent nach oben. So zum Beispiel auch in Berlin, wo der Immobilienquadratmeter im zweiten Quartal des Jahres mit 4.923 Euro zu Buche schlägt. Auch in Hamburg und München lassen sich im Durchschnitt zuletzt nur noch leichte Preiszuwächse beobachten von zwei beziehungsweise drei Prozent. Laut Scoperty liegt der Quadratmeter Wohneigentum in Hamburg aktuell bei 6.019 Euro und in München bei 10.146 Euro. In drei deutschen Großstädten stagnieren die Preise seit dem ersten Quartal des Jahres bereits: Leverkusen, Heidelberg und Koblenz haben sich die Immobilienpreise seit Jahresbeginn bei rund 3.231 Euro, 5.118 Euro und 3.219 Euro eingependelt. „Auch wenn in den Metropolen noch keine großflächigen Preisrückgänge zu beobachten sind, sehen wir doch, dass der Höhenflug zu einem abrupten Ende gekommen ist. Das bestätigen Gespräche mit Maklern, die im Juli teilweise zu bis zu 20 Prozent unter Angebotspreis verkaufen. Die Frage, die sich Eigentümer basierend auf dem aktuellen Verkehrswert und dem Zinsszenario konkret stellen sollten lautet: Kann ich mir eine teure Anschlussfinanzierung leisten oder erwäge ich jetzt einen Verkauf zu aktuellen Preisen“, sagt der Immobilienexperte.
Zuwächse sollten Zinsschäden und Spekulationsgewinne mehr als kompensieren
Die bei einem frühzeitigen Verkauf anfallende Vorfälligkeitsentschädigung für den laufenden Kredit dürfte sich in Grenzen halten, da die Restlaufzeiten für die Darlehen sowie der Zinsschaden für die Bank vergleichsweise überschaubar sind. Auch die bei einem vorzeitigen Verkauf zu zahlende Spekulationssteuer auf den erzielten Veräußerungsgewinn nimmt sich im Vergleich zum möglichen Risiko versöhnlich aus – schließlich verzeichnen die Immobilienwerte je nach Einstiegspreis zwei bis dreistellige Zuwachsraten.
*Quelle Immobilienpreise 2013 und 2014: Statista -Dossier zur Entwicklung der Immobilienpreise in Deutschland